Wie veröffentliche ich mein Buch? Teil 1

Zu Beginn eine Binsenweisheit, die sich bei näherer Betrachtung als gar nicht so banal entpuppt: In der Regel sollte das Manuskript fertig sein, wenn es angeboten wird. Das gilt vor allem für den Belletristik-Bereich und für Erstautoren und -autorinnen.

Was bedeutet „fertig“?

Das Manuskript sollte zu Ende geschrieben, testgelesen und überarbeitet sein. Verlage und Agenturen bekommen sehr viele Angebote. Es ist sinnvoll, das bestmögliche Manuskript anzubieten, das der Autor und die Autorin in der Lage sind zu schreiben.

Der berühmte Verleger des Diogenesverlages, Daniel Keel, erzählte in einem Spiegelinterview, dass der Verlag im Jahr etwa 3.000 unverlangte Manuskripte erhielte. „Im Schnitt bleibt alle drei Jahre eins hängen. Eins von 9.000 wird also gedruckt.“
Genauso kam übrigens Bestsellerautorin Ingrid Noll zum Verlag. „Unverlangt. Per Post.“ Als eine von 9.000.

Nun gibt es auch andere Wege, als das Manuskript unverlangt einzuschicken – aber auf welchen Weg sich ein Manuskript auch macht, es sollte das beste sein, das es sein kann. Und damit es dazu wird, durchläuft es mehrere Phasen.

Wenn die Figuren entworfen sind und der Plot steht, schreiben Autoren und Autorinnen einen Entwurf. In dieser Phase muss die Geschichte einmal durchgeschrieben werden. Dieser Entwurf, aus dem das spätere Manuskript entstehen wird, muss fertig werden. Mehr nicht.

Während ihr an dem Entwurf arbeitet, befindet ihr euch in einem Zustand ähnlich dem einer „Geburt“.
Hier ist es egal, wie viele Schreibfehler sich einschleichen, wie oft ihr die Perspektive wechselt oder – um im Bild zu bleiben – ob das Kind nun abstehende Ohren hat oder nicht – Hauptsache, es kommt zur Welt.
In diesem Zustand seid ihr nicht in Lage, euren Text kritisch zu betrachten. Und das solltet ihr auch nicht. Ihr solltet euch freuen – ihr schafft etwas Neues!

Das bedeutet auch: Ihr seid auf dem falschen Weg, wenn ihr euren Anfangssatz jetzt fünfundzwanzig Mal korrigiert und nicht weiter kommt. Ihr müsst den Teil von euch, der perfekt sein will, für die Zeit des Entwurf-Schreibens in einen Schrank sperren.

Erst wenn der Entwurf fertig ist, kommt es zur Überarbeitung.
Lasst euch viel Zeit. Ihr müsst Abstand zwischen euch und das Manuskript bringen, um es beurteilen zu können. Ihr müsst den „Mutterstatus“ verlassen und zur „Patentante“ werden.

Lasst den Text also liegen, vielleicht drei Wochen, vielleicht ein halbes Jahr. Je nachdem, wie lang der Text ist.
Profiautoren schreiben in dieser Zeit an einem anderen Manuskript weiter, das sich vielleicht gerade im Stadium des Entwurfs befindet. Deshalb arbeiten Autoren oft an mehreren Geschichten gleichzeitig.

Wenn ihr nach diesem Zeitraum euer Manuskript erneut lest – und überrascht feststellt, wie gut es eigentlich ist, dann ist es soweit: Bitte geht an die Überarbeitung des Entwurfs.
Ja, es wird euch nicht alles gefallen – auch das erste „Au, verdammt, das stimmt ja gar nicht“ wird kommen. Und das zweite, das dritte, das vierte.

Eure erste Überarbeitsphase, die sich noch einmal in mehrere Arbeitsdurchgänge gliedern kann, beschäftigt sich mit Plot und Figuren. Bildlich gesprochen sind es hier die großen Blöcke, die verschoben werden. Textblöcke, die an anderen Stellen des Manuskripts besser aufgehoben sind. Figuren, die herausgestrichen oder hineingeschrieben werden. Perspektiven, die komplett verändert werden.
Zwei Fragen beschäftigen Autorinnen und Autoren in dieser Phase:
1. Ist die Handlung die beste, mit der diese Geschichte erzählt werden kann?
2. Sind die Figuren so lebendig und fesselnd, dass sie das Potential in sich tragen, nie mehr von den Lesenden vergessen zu werden?

Sobald diese erste Überarbeitung abgeschlossen ist, könnt ihr euch der zweiten zuwenden. Die wird wahrscheinlich auch mehrere Arbeitsdurchgänge umfassen – aber sie beschäftigt sich im Gegensatz zur ersten mit dem Stil und der Sprache Ihres Manuskripts. Hier wird der Ton geschliffen, indem die Geschichte erzählt ist – bis jedes Wort und jeder Satz stimmt – und Geschichte und Figuren unterstützt.

Jetzt, nach der zweiten Überarbeitung ist bestmögliche Geschichte entstanden, die ihr habt schreiben können.

Und jetzt kommen die Testleser und -leserinnen ins Spiel.

Bis hierher habt ihr eure Geschichte vielleicht mit anderen Autoren besprochen – ihr habt mit jemandem, der sich dramaturgisch auskennt, geplottet – oder mit jemandem, der sich mit Psyche und Gefühlen auskennt, die Figuren entwickelt.
Aber das gesamte Manuskript hat noch niemand außer euch gelesen. Und das ist auch gut so.

Aber jetzt ist es soweit. Ihr gebt euer Manuskript heraus!

Ich möchte euch abraten, Testleser innerhalb eurer Familie zu suchen.
Ja, es gibt sie, die Autorenpaare, die auch verheiratet sind. Aber warum diese Paare so gut miteinander arbeiten können, liegt weniger daran, dass sie Partner sind. Viel wichtiger ist, dass beide Partner Künstler sind.

Gerade in künstlerischen Berufen müssen wir unsere Komfortzone immer wieder verlassen, da wir sonst nichts Neues schaffen können – kein neues Buch, keinen Film, keine neue Fotografie entsteht völlig „in Sicherheit“.
Aber außerhalb unserer Komfortzone sind wir angreifbar, denn alles ist neu und damit auch unerprobt. Und manchmal vielleicht sogar ein bisschen peinlich. Was nichts macht – denn es kommt darauf an, sich als Künstler und Künstlerin zu entwickeln.

Aber das versteht nicht jeder Partner und nicht jede Angehörige. Oft ist es so, dass das halbfertige Werk entweder in höchsten Tönen gelobt oder als peinlich empfunden und abgelehnt wird.
Und das ist Gift für alles, was entsteht. Sowohl das unreflektierte Lob, als auch die Ablehnung.

Versteht mich nicht falsch: Arbeitet mit Menschen zusammen, aber ja!
Nichts ist ein besserer Garant dafür, dass ihr euer Manuskript fertigschreibt. Ihr seid auf eurem Weg nicht allein – wunderbar. Aber sucht euch Menschen aus, die verstehen, was ihr tut. Am besten solche, die auch schreiben. Oder auf andere Weise künstlerisch arbeiten.
Eine Steuerberaterin erwartet auch nicht von ihrem Partner, dass sie mit ihm kompetent die letzte Veränderung der Steuergesetzgebung diskutieren kann.

Sucht euch als Testleser Menschen aus, zu denen ihr eine gewisse Distanz haben: Hobbyautoren, mit denen ihr vielleicht schon während des Schreibens zusammengearbeitet habt. Freunde, mit denen ihr Sport treibt. Eure Nachbarin, bei der ihr Salz oder Eier borgt. Junge Menschen, alte Menschen, so unterschiedlich, wie es geht – aber lasst euer Manuskript nicht von eurem Ehemann, eurer Mutter oder euren Kinder testlesen.

Ihr seid immer noch sehr empfindlich. Holt euch Lob und Kritik von Menschen, die euch nicht zu nahe stehen.

Fordert von euren Testlesern, dass sie euch schildern, wie sie den Text aufnehmen. An welchen Stellen sie aussteigen, welche sie fesseln, wann sie weinen oder lachen. Fordert diese Reaktionen ein. Aber keine Bewertungen, keine Verbesserungsvorschläge.
Das bringt euch nur durcheinander und – unter uns – solange eure Testleserinnen und -leser keine ausgebildeten Lektorinnen und Lektoren sind, können sie das mit den Vorschlägen gar nicht. Auch wenn sie es oft glauben.
Ein guter Lektor und eine gute Lektorin wird immer versuchen, euren Text besser zu machen – und nicht, euren Text zum eigenen zu machen. Und das ist eine ganz reale Gefahr bei Testlesern.

Im Falle des Falles, wenn ihr also anderer Ansicht sind als die meisten eurer Testleser, rate ich, trotzdem sich selbst zu folgen. Auch wenn ihr euch irrt.
An dieser Stelle des Arbeitsprozesses ist es wichtiger, dass ihr eure künstlerische Arbeit weiterentwickelt – als ein perfektes Manuskript zu schreiben. Perfekt gibt es nämlich gar nicht, und vielleicht steckt hinter eurem Irrtum irgendwas Geniales, das ein ausgebildeter Lektor, eine ausgebildete Lektorin zum Blinken bringen kann.
Hört also im Falle des Zweifels in dieser Phase des Arbeitsprozesses auf euch selbst.

Nachdem ihr in eurem Manuskript alles verändert habt, auf was die Testleserinnen und -leser euch aufmerksam gemacht haben und dem ihr zustimmen konntet, geht es ins Korrektorat.
Die letzten Rechtschreib- und Satzzeichenfehler werden korrigiert.
Es gibt kein ein besseres Mittel, das eigene Manuskript beim Verlag ins Aus zu katapultieren, als Seiten mit Schreibfehler abzuliefern.
Vermeidet das, indem ihr den letzten Schliff nicht selbst macht.

Ihr habt euer Manuskript so oft gelesen, dass es euch nicht mehr möglich ist, die Fehler zu finden, die sich noch in Sätzen und Wörtern verbergen.
Habt ihr eine Deutschlehrerin oder einen Deutschlehrer in eurem Freundeskreis? Seid ihr vielleicht mit einem verheiratet? Unterrichtet eure Schwester? Diese Menschen sind für das Korrektorat genau die richtigen.

Ihr seid in eurer Künstlerpersönlichkeit jetzt gestärkt genug, um auch Kritik von Angehörigen zu empfangen. Zumal diese Angehörigen einen klaren Auftrag haben: Schreibfehler zu finden.
Das ist ein Deal, der für beide Seiten in der Regel sehr gut funktioniert.

Abschließend noch ein paar Anregungen, damit die Form des Manuskripts stimmt, das jetzt fertig ist.

Reicht euer Manuskript auf Normseiten ein. Das sind 30 Zeilen mit 60 Anschlägen, der Zeilenabstand beträgt 1 1/2, die Schriftgröße etwa Punkt 12. Schreibt linksbündig, nutzt keinen Blocksatz und schaltet die Silbentrennung aus.

So eine Normseite könnt ihr z.B. beim literaturcafe.de herunterladen.