Sachbücher schreiben im digitalen Zeitalter

Wann habt ihr das letzte Mal ein Sachbuch aufgeschlagen, um an Informationen zu kommen? Wann in der Bibliothek gesessen und dicke Bücher gewälzt, um euch für einen Vortrag oder ein Seminar vorzubereiten? Vermutlich ist es schon eine Weile her. Heute liefern Suchmaschinen, Wikipedia und KI Antworten in Sekunden.

Und doch werden Sachbücher nach wie vor geschrieben, erfolgreich verkauft und stehen auf Bestsellerlisten. Sie verleihen Autorinnen und Autoren einen Expertenstatus, der über den Buchmarkt hinausreicht und sich in Speaker-Tätigkeiten oder Beratungsformaten zeigt.

Das wirft die Frage auf: Welche Art von Sachbüchern lesen wir heute eigentlich noch? Und was braucht ein Sachbuch, um in der digitalen Welt seine Lesenden zu finden?

Mehr als Information

Die beiden letzten Sachbücher, die ich gelesen habe, waren Die Achse der Autokraten von Anne Applebaum und How to Stand Up to a Dictator von Maria Ressa. Beide Bücher zeigen, was das Genre unverzichtbar macht: Sie vermitteln nicht nur Informationen. Sie vertreten eine klare These.

Ein Sachbuch, das heute Wirkung entfalten will, braucht eine Botschaft, von der Autorinnen und Autoren überzeugt sind. Eine These, die so relevant ist, dass die Schreibenden bereit sind, Monate oder sogar Jahre in ihr Buch zu investieren.

Die Rolle von Expertise

Eine überzeugende These entsteht nicht aus dem Nichts. Sie speist sich aus Expertenwissen, aus jahrelanger Beschäftigung mit einem Thema. Nur wer dieses Wissen hat, kann zu einem Thema eine eigene Perspektive entwickeln, eine fundierte Analyse anbieten oder eine Lösung aufzeigen.

Natürlich kann sich KI kurzfristig in Themen einarbeiten und Texte generieren. Aber sie kann nicht das tiefe Wissen ersetzen, das Menschen über Jahre gesammelt haben und das sie zu tragfähigen Entscheidungen führen kann.

Ich möchte aus meinem Fachgebiet ein Beispiel zeigen. Ich unterrichte neben dem literarischen und kreativen auch das „Schreiben mit ChatGPT“. In diesem Kontext zeige ich u.a. Plotstrukturen, die die KI aus einer Idee entwickeln kann. Ich habe es jedoch noch nie erlebt, dass die KI eine Struktur ausgegeben hätte, die Schreibende genauso übernehmen konnten, wie sie sie ihnen vorgeschlagen hat.

Die Teilnehmenden merken das oft nicht sofort. Viele sind Anfängerinnen und Anfänger und begeistert von den Vorschlägen. Doch die dramaturgischen Fehler lassen nicht lange auf sich warten: Figuren wirken unglaubwürdig, Handlungen entwickeln sich unlogisch.

In solchen Fällen braucht es Expertise, um die Fehler frühzeitig zu erkennen und korrigieren zu können. Oder anders gesagt: Man muss die KI auf ihren Platz als Assistenz verweisen.

Genau dieses Expertenwissen ist notwendig, wenn wir mit KI arbeiten wollen – auch beim Schreiben von Sachbüchern.

Warum Authentizität zählt

Neben der These und der Expertise braucht jedes Sachbuch auch eine eigene Stimme. Lesende wollen spüren, dass da ein Mensch schreibt, mit Erfahrung, Haltung und Persönlichkeit.

Je nach Thema kann der Ton unterhaltsamer oder seriöser sein. Entscheidend ist, dass er authentisch bleibt und Vertrauen schafft. Erfolgreiche Beispiele dafür sind Darm mit Charme von Giulia Enders, Erzählende Affen von Samira El Ouassil und Friedemann Karig oder Die Macht der Sprache von Martin Puchner.

Alle drei Bücher haben eine These, die den roten Faden innerhalb des Textes bildet, und einen unverwechselbaren Ton, der die Authentizität ihrer Autorinnen und Autoren bestätigt.

Fazit

Gute Sachbücher sind mehr als eine Sammlung von Fakten. Sie besitzen eine klare These, bauen auf fundiertem Wissen auf und haben eine authentische Stimme.

Ich bin überzeugt: Solche Sachbücher kann weder die KI noch eine Suchmaschine oder Wikipedia ersetzen.

Solche Sachbücher werden immer ihren Platz in Buchläden und auf Bestsellerlisten haben.