Genre – Crossing
Ist in einem Krimi eigentlich immer nur Krimi drin?
Und wie sieht es mit der Liebesgeschichte oder der Fantasy aus?
Tatsächlich sind die meisten Romane, die veröffentlicht werden, ein Genremix. Verschiedene Genres werden verwendet, um die Geschichte zu der besten zu machen, die aus der jeweiligen Idee entwickelt werden kann.
Ein Beispiel:
Der Blick auf den Krimimarkt lehrt uns – egal, ob das Buch auf dem Cover dem Krimi- oder dem Thrillergenre zugeordnet wird – dass in der Regel beide Genres in der Geschichte verwendet werden. So wird Jussi Adler Olsens Buch „Erbarmen“ vom Verlag als Thriller angeboten, auch wenn es in weiten Teilen ein Krimi ist.
Natürlich verkauft sich der Begriff Thriller besser.
Und es stimmt ja auch: Die Nebenhandlung mit der „Frau im Bunker“ als Protagonistin gehört zum Thrillergenre. Während die Arbeit des Ermittlers zum Krimigenre gehört. Und genau das macht „Erbarmen“ auch so erfolgreich: Olsen hat gekonnt beide Spannungsarten genutzt – die des Krimis und des Thrillers – und es so für die Lesenden fast unmöglich gemacht, das Buch aus der Hand zu legen.
Die Krimis des Duos Sjöwall/Wahlöö werden heute ebenfalls als Thriller verkauft, obwohl ihre Geschichten als Ermittlungen dem Krimigenre zuzuordnen sind. Wollte man ein zweites Genre in dieser Krimiserie finden, wäre es viel eher der Gesellschaftsroman als der Thriller. Das entspricht auch dem Anliegen der beiden Autoren, die von der Mitte der neunzehnhundertsechziger bis in die siebziger Jahre mit ihren Krimis Gesellschaftskritik übten – und damit das Genre erneuerten.
Was für Vorteile bringt es, sich mit den einzelnen Genres näher zu beschäftigen und sie auseinanderhalten zu können?
Ist das alles nicht eher ein Verwirrspiel mit Begriffen und für die eigentliche Arbeit der Schreibenden irrelevant?
Von einigen Naturtalenten abgesehen, erachte ich es für den „normalen“ Autor und die „normale“ Autorin als sehr wichtig, die dramatischen Elemente der einzelnen Genres zu kennen, um sie für die eigene Geschichte bestmöglich zu nutzen.
Auch Naturtalenten tut Wissen übrigens gut. Bei ihnen ist es – meiner Erfahrung nach – oft so, dass das erste Buch gelingt, aber beim zweiten oder spätestens beim dritten geraten sie ins Schlingern – und brauchen dramaturgische Betreuung, um es fertigschreiben zu können.
„Aus dem Bauch herausschreiben“ ist keine Methode, die sich beliebig wiederholen ließe.
Was aus Stephenie Meyers als Filmproduzentin wird, bleibt noch abzuwarten, aber auch diese Autorin hat den Erfolg von „Twilight“ nicht wiederholen können. Wobei gerade ihre Saga um Edward und Bella vom Genre-Crossing profitiert hat.
Was für eine grandiose Idee, die Liebesgeschichte derart eng mit der Fantasy zu verknüpfen, so dass – vom Twilight-Pärchen aus gesehen – der Abgrund zwischen Romeo und Julia geradezu lächerlich zu sein scheint. Man ist versucht, den beiden Shakespeare Helden „Pech gehabt!“ zuzurufen, während die wahre Fallhöhe Edward und Bella vorbehalten bleibt.
Diese Idee hat auch einen Teil der Werbecampagne mitbestimmt. Vielleicht erinnert sich noch jemand: Edward ganz in weiß als Bellas große Liebe – Edward ganz in schwarz als ihr Tod.
Überhaupt braucht die Liebesgeschichte, wenn sie sich aus der Trivialität des Heftromans lösen will, ein zweites Genre – das oft, so oft, eine Entwicklungsgeschichte ist. Auch bekannt als „coming of age“, wird in den meisten Liebesgeschichten eben nicht nur die Geschichte einer Liebe erzählt, sondern es werden auch die Entwicklungsgeschichten der Figuren erzählt, die lieben. Hier spielt das Genre der Jugendliteratur eine große Rolle.
Auch für Erwachsene braucht die Liebesgeschichte mehr als nur die Liebe. So geht es im Roman „Ein ganzes halbes Jahr“ nicht nur um die profane Frage, ob sie sich denn nun kriegen, sondern auch – thematisch gesehen – um das Recht auf Selbsttötung.
Wieder ein gelungenes Crossing.
Mein Fazit: Egal ob es um einen Zuwachs an Spannung, eine geniale Idee oder den literarischen Anspruch eines Romans geht, gekonntes Genre-Crossing erhöht die Qualität der Geschichte und trägt zum Vergnügen des Lesers bei.
Dieses Handwerkzeug gehört auf jeden Fall in den Werkzeugkasten jedes Autors und jeder Autorin.
Und natürlich lieben es auch Agentinnen, Agenten und Verlage, wenn ein Autor und die Autorin, der die Geschichte anbietet, weiß, welche Genres er oder sie bedient hat – sodass der Verlag das Buch unter dem am meisten Erfolg versprechenden Label verkaufen kann.